Forschungs-Blog

Unser Weg zu einem klimaneutralen Gebäude

Geschichte Vis-à-Wiens Teil 7

Start der partizipativen Planungen unseres Hauses

Mitglieder: 40 Erwachsene, 12 Kinder

Zeitraum: März 2021 – Jänner 2022, 3-4 Jahre vor geplantem Einzug

Größte Herausforderung: Kommunikationsstrukturen entwickeln, um Informationsfluss bei wachsender Gruppengröße aufrechtzuhalten; Brandschutzauflagen gefährden Holzbau

Schönster Moment: Großgruppenwochenende und Gruppenerweiterung

Aktuelle Themenpartizipative Planung, Workshops, Großgruppenwochenende, Erweiterung, Brandschutz, Holzbau, Soziokratie, offene Wahl, Koordinationskreis

Seit März 2021 ist es offiziell: Wir haben ein Grundstück. Das bringt uns in die seltene Lage, tatsächlich ein Gebäude mitten in Wien mitgestalten zu können. Die nächsten Monate standen im Zeichen der weiteren partizipativen Planung mit einszueins architektur und einer nächsten großen Gruppenerweiterung.

Was heißt in diesem Fall konkret “partizipative Planung”? Gemeinsam mit einszueins architektur arbeitete vor allem unsere Neigungsgruppe Architektur an der Vorentwurfsfreigabe. Ende Juni fand ein Workshop für die ganze Gruppe mit Markus, Sebastian und Helene von einszueins architektur zu den Gemeinschaftsräumen statt.

Weiter ging es im September mit der partizipativen Standardisierung der Wohnungen. Wir stehen als Gruppe geschlossen dahinter, durch diese Standardisierung möglichst viele Kosten einzusparen, um finanziell zumindest die Richtung der Barrierefreiheit einzuschlagen. Es wurden 6 Grundrisstypen entwickelt, die gleichmäßig im Haus verteilt werden. Rund 45m² – 100m² sollen unsere zukünftigen Wohnungen haben. In Kleingruppen nahmen wir die, von einszueins architektur und unserer AG Architektur vorbereiteten Grundrisse unter die Lupe. Türen änderten ihre Positionen, viele Wände wollten verschoben werden. Das vorgegebene Konstruktionsraster des Holzbaus ließ aber große bzw. grundlegende Änderungen nicht zu. Wir entschieden uns für Holzbau und gegen mehr Flexibilität in der Grundrissgestaltung. Auch hier stand die Kosteneffizienz im Vordergrund. Gemeinsam mit den Architekt*innen stellten wir fest, dass es viel Einsatz und Kreativität braucht, um einen Holzbau auf einem Grundstück mit fix vorgegebener Bebauungsstruktur zu realisieren. Im geförderten Wohnbau, wo jeder Quadratmeter Wohnnutzfläche zählt, gibt es wenig Spielraum, das Bebauungsvolumen anzupassen. Jede*r einzelne war bereit, Kompromisse einzugehen, um die Kosten für alle so gering wie möglich zu halten und doch dem ökologischen Anspruch, der auch Teil unserer Vision ist, gerecht zu werden.

Zwei Wochen danach widmeten wir uns erneut den Gemeinschaftsräumen. Wir überlegten in Kleingruppen, wie wir die Räume später nutzen möchten und gingen mögliche Bewegungen durch die Räume genau durch, um z.B. die besten Positionen für Türe und Wände zu finden. Passenderweise nutzten wir für den Workshop den Gemeinschaftsraum des Wohnprojekts Kohlenrutsche, was uns die Möglichkeit gab, Inspiration einzuholen. Wie schon so oft, profitierten wir wieder von der Bereitschaft der Bewohner*innen, uns wichtige Informationen weiterzugeben. Wir durften zum Beispiel ihre Werkstatt besichtigen, um für unsere zukünftige Werkstatt Ideen zu sammeln. 

Diese Workshops gaben allen Vis-à-Wiener*innen die Chance, unser zukünftiges Wohnhaus besser kennenzulernen und wieder den Fokus zu bekommen, wofür man viele Stunden in Online-Treffen verbringt.

Von 3. – 5.9.2021 fand bereits unser drittes Großgruppenwochenende statt, diesmal in Tulln. Zur Einstimmung ins Wochenende trafen wir uns bei einem Picknick. Dieses Mal durften wir uns über Unterstützung durch Gernot und Micha von realitylab freuen. Dadurch konnten wir viel arbeitsintensive Vorbereitung abgeben und uns ganz auf die anstehenden Themen konzentrieren. An diesem Wochenende entdeckten wir unser Talent für Improtheater. Themen so spielerisch zu erarbeiten, machte der ganzen Gruppe ziemlich viel Spaß. Wir versetzten uns bei einem Rollenspiel zum Thema Solidarität in die Situation anderer Menschen und nahmen persönliche Solidaritätsgeschichten von Vis-à-Wiener*innen auf. Dank dem schönen Wetter konnten wir viel Zeit im Freien verbringen. Dies nutzten viele auch für einen Spaziergang beim Co-Counselling. Zu zweit beschäftigte man sich mit dem Thema Solidarität, wobei immer eine*r eine bestimmte Zeit über eine konkrete Fragestellung sprechen konnte – der/die andere hörte zu, ohne zu kommentieren. Wir nutzten diese Methode bereits mehrmals, um uns über ein Thema Gedanken zu machen. Sie passt gut zu unserer Gruppe und hilft uns sehr bei der Beschäftigung mit bestimmten Themen.

Wir nutzten das Wochenende auch, um die Grundlagen der Soziokratie aufzufrischen und vertieften unser Wissen in den Themen Kreisstruktur, Entscheidungsfindung und in der offenen Wahl. Letztere war ein sehr aktuelles Thema für uns. Die Kommunikation und der Informationsfluss innerhalb der Baugruppe wurde mit zunehmender Gruppengröße immer schwieriger, daher beschlossen wir ein weiteres soziokratisches Mittel zu etablieren: einen Koordinationskreis. (Hier nahmen wir uns den soziokratischen Leitungskreis als Vorbild und passten ihn an unsere Gruppe an.) Alle Neigungsgruppen sind darin mit Koordinator*in und Delegierte*m vertreten, was den Informationsfluss und die bessere Aufgabenverteilung innerhalb der Gruppe sicherstellen soll. Die Etablierung erforderte einige Monate, da im Vorfeld einiges zu tun war. Für diesen Koordinationskreis war ein weiteres soziokratisches Mittel notwendig: eine offene Wahl. Eine offene Wahl beruht auf Wertschätzung, positivem Wording, und stellt die Qualitäten für das Amt in den Mittelpunkt. Für die allermeisten war das die erste offene Wahl und der Funke wollte nicht so recht überspringen. Erst im Laufe der nächsten Wahlen gelang es uns, die Methode an unsere Gruppe anzupassen. Seitdem schätzen wir die offene Wahl sehr, besonders um einen Raum für wertschätzende Worte zu schaffen und der gewählten Person für ihre Aufgabe wichtigen Rückhalt aus der Gruppe mitzugeben.

Parallel zu den Workshops und dem Gruppenwochenende formierte sich im Juni 2021 die Taskforce Erweiterung, die sich von da an intensiv mit der Gruppenerweiterung beschäftigte. Im Juli und August fanden zwei Online-Infoabende statt. Danach gab es laufende Kennenlerngespräche zwischen Vis-à-Wiener*innen und Interessent*innen. Die Möglichkeit der Teilnahme bei Groß- und Neigungsgruppentreffen sollte den möglichen neuen Mitgliedern außerdem helfen, die Baugruppe besser kennenzulernen. Am 7.11. nahmen wir Andrea, Bernhard, Catherine, Christian, Christoph, Joël, Leo, Margot, Mario, Ulrike, Peter, Susanne, Theresa, Wolfgang und die Kinder Tobias, Jonathan und noch einen zweiten Jonathan offiziell in den Verein auf.

Mit dem Fortschreiten des Detailgrades der Planung kamen auch Stolpersteine auf uns zu. Die Entscheidung, einen Holzbau realisieren zu wollen, stellte uns wieder einmal vor eine Herausforderung: Die Rückmeldung in Bezug auf den Brandschutz ließ einen Holzbau in weite Ferne rücken. Die große Schwierigkeit bestand darin, dass es noch keine vergleichbaren Projekte gab. Aber wieder einmal bewiesen die Beteiligten den unerschütterlichen Optimismus und die Motivation, einen Holzbau realisieren zu wollen. Es war keine leichte Zeit, auch wegen Kommunikationsschwierigkeiten. Das Architekturteam und die Brandschutzplaner*innen schafften es, in enger Abstimmung mit der Baugruppe und der Bauträgerin Brandschutzmaßnahmen vorzulegen, die die Hoffnung auf einen Holzbau weiterleben ließ.