Forschungs-Blog

Klimademo Vis-à-Vis

Bau in bewegten Bildern

Ein Haus wächst in vier Minuten

Im Frühling 2024 durften wir auf dem Dach der gegenüberliegenden Schule – dem Aaron Menczer Bildungscampus – eine Kamera aufstellen. Mehr als ein Jahr lang hat sie den Baufortschritt dokumentiert – alle 30 Minuten ein Bild, Tag für Tag. Herausgekommen ist ein beeindruckendes visuelles Protokoll: In einem Zeitraffer von wenigen Minuten wächst unser Gebäude, das Vis-à-Vis, in die Höhe.

Überblick

Die Kamera blickt Richtung Südosten auf die Baustelle. Am linken und unteren Bildrand ist die Otto-Preminger-Straße zu sehen, an der der mittlere Trakt unseres U-förmigen Gebäudes liegt. Genau in diesen werden wir im August 2025 als Baugruppe Vis-à-Wien einziehen. Im Hintergrund ragen hinter dem Eurogate die Hochhäuser von St. Marx auf, während am rechten Bildrand die mächtige Versicherungsanstalt am Landstraßer Gürtel den Blick aufs Arsenal versperrt.

(Direktlink YouTube)

Beton im Rohbau

Der Anfang der Fotodokumentation (April ‘24) zeigt den frühen Rohbauzustand: Nur die unteren Geschosse sind zu sehen. Zu erkennen ist, dass die Konstruktion im Erd- und im ersten Obergeschoß gänzlich aus Stahlbeton besteht. Ab dem zweiten Geschoß reduziert sich der Betonbau deutlich. Hier werden nur mehr Stützen, Unterzüge, einige aussteifende Wohnungstrennwände und die Außenwände zum hofseitigen Laubengang in Beton ausgeführt.. 

Die beiden markanten Türme, die die darauffolgenden Monate aus dem Gebäude herauswachsen, sind die vertikalen Erschließungskerne – Liftschächte und Stiegenhäuser. Sie bestehen, wie so oft im mehrgeschoßigen Wohnbau, ebenfalls aus Beton, hauptsächlich aufgrund von Brandschutz und Statik. 

Ende Juli ’24 lässt sich beobachten, wie das zweite Obergeschoß seine straßenseitigen Fassadenelemente bekommt und gleichzeitig von West nach Ost, von rechts nach links von Massivholzplatten (BSP – Brettsperrholz) zugedeckt wird. Hier ist erkennbar, dass jene Deckenelemente, an denen Balkone hängen, nicht als reines Massivholz, sondern als Holz-Beton-Verbundteile ausgeführt sind. In unseren Wohnräumen haben die Decken aber trotzdem durchgehende Holzoberflächen.

Die Baufortschrittskamera auf dem Dach des Aaron-Menczer-Bildungcampus. Im Hintergrund unser Nachbargebäude auf Baufeld 10 und die Adolf-Blamauer-Gasse entlang der S-Bahn. Noch weiter im Hintergrund das Arsenal. Foto: Vis-à-Wien

Weiterer Bauverlauf

Im Juli wächst auch der große Osttrakt – zu sehen zwischen den Stiegenhäusern – auf seine volle Größe von acht Geschoßen. Aufgrund seiner Dimensionen erschließt diesen breiten Trakt – liebevoll “fetter Oschi” genannt – kein Lauben-, sondern ein Mittelgang. Darum kann man im Fassadenbild hofseitige Balkone wahrnehmen. 

Ende März ‘25 wird zum krönenden Abschluss die Pergola unserer Dachterrasse fertiggestellt. Die Dachterrasse stellt eine jener Positionen dar, die der Bauträger gezwungen war einzusparen (in dem Fall zu verkleinern), die wir aber durch Eigenmittel selber finanziert haben. 

Materialität, Ökologie und Zukunftsmusik

Im Rahmen des Forschungsprojekts hatte das Architekturbüro einszueins ursprünglich vier Varianten für das Materialkonzept unseres Hauses entwickelt. Zwischen einem ökologischen Best-Case-Szenario (V4) und dem billigen/konventionellen Bauen (V3) befanden sich unsere geplante Variante (V1) und eine mit Holzfassade (V2). Seitdem kam noch eine fünfte Variante hinzu: die gebaute Realität (V5). 

Varianten Materialwahl aus dem Forschungsprojekt
Materialvarianten: Grün repräsentiert Stahlbeton, beige Massivholz. Grafik: einszueins (aus der Endpublikation des Forschungsprojekts).

Die durchgerechneten Gebäudevarianten zeigen, dass das Vis-à-Vis das Ziel der Klimaneutralität leider nicht erreicht, wenn auch nur fast nicht. Wenn man aber bedenkt, in welcher Zeit wir geplant und gebaut haben – fünf Jahre voller globaler Krisen und geopolitischer Unruhen – und dass das Projekt nicht nur einmal auf Messers Schneide stand, dann können wir zufrieden und auch ein bisschen stolz sein, dass wir es überhaupt bis zur Schlüsselübergabe schaffen.Im Nordbahnviertel entsteht bald ein weiteres Wohnhaus mit einer Baugruppe, ebenfalls geplant von einszueins. So wie es aussieht, wird dieses Gebäude erstmals die Klimaneutralität erreichen. Laut den Architekt*innen sei das nur durch die Erfahrungen und Lernprozesse, die sie mit unserem Vis-à-Vis und dem Forschungsprojekt gemacht haben, möglich. Dass wir den Weg zu einem klimaneutralen, geförderten, leistbaren Wohnbau mitgeebnet haben – auch darauf sind wir stolz.

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